von Gabriele Albanese
Meine Begegnung mit der Maultrommel hatte einen bedeutenden Einfluss auf mein Leben als Musiker. Es war Liebe auf den ersten Blick. Als ich mich diesem Instrument näherte und mich dabei die starke leidenschaftliche Kraft erfasste, habe ich für sie eine gewaltige Anziehungskraft verspürt. Ich verdanke diese Begegnung vor allem der beruflichen Zusammenarbeit und Freundschaft, die mich mit Mimmo Cavallaro verbinden: denn dank ihm habe ich mich den Instrumenten der mediterranen Volkstradition genähert.
Ich denke, dass die Maultrommel (auf sizilianisch marranzano genannt), die in Italien als scacciapensieri (Gedankenvertreiber) und in meiner Heimat Kalabrien als malarruni bekannt ist, von besonderer Bedeutung ist und dass diese Bedeutung sie zu einem Instrument macht, das sich von allen Instrumenten, die ich spiele und mit denen ich mich gewöhnlicherweise auseinandersetze, unterscheidet. Die Gründe, weshalb ich diese Behauptung aufstelle, sind zahlreich: Zuerst ist da der Fakt, dass man im Süden Italiens die Maultrommel für ein Instrument hält, das ausschließlich auf Sizilien verbreitet ist. Stattdessen ist sie Teil des kulturellen Erbes vieler Länder der Welt. Auch Musiker der angelsächsischen Welt kennen sie (unter dem Namen Jew’s Harp) und mit einer relativen Beständigkeit taucht sie auch im Orient und in der Balkanmusik auf. Sie ist also in jeder Hinsicht ein Instrument der Weltmusik und als solches hat sie mir sehr in meinen klanglichen Entdeckungsreisen geholfen. Nicht nur, weil sie es mir erlaubt hat, eine neue Welt des Musizierens kennenzulernen, sondern auch, indem sie mir buchstäblich ein ganzes kulturelles Universum eröffnet hat, das ich bis vor Kurzem noch als weit weg und unerreichbar erachtet hatte.
Hinter dieser vibrierenden Zunge, die in Formen und Materialien gebaut wird, die von verschiedenen Metall- bis zu Holzsorten reichen (es gibt sie sogar auch aus Bambus), steckt eine lange und komplexe Verarbeitung, die eine komplizierte Technik und eine akribische Sorge fürs Detail erfordert.
Ich durfte einmal bei der Entstehung einer Maultrommel in Monterosso Almo auf Sizilien anwendend sein, als ich einen Tag in Gesellschaft von Carmelo Buscema verbrachte, der eine echte Autorität in diesem Bereich ist. Nachdem er mir und befreundeten Musikern in meiner Begleitung einige von ihm hergestellte Maultrommeln gezeigt hatte, gab Carmelo einen weiteren Beweis seiner außerordentlichen Fähigkeiten und bearbeitete vor meinen erstaunten Augen ein wunderschönes Blatt aus Schmiedeeisen. Er hat mir das Ergebnis geschenkt und ich trage es immer noch bei mir. Ich glaube, dass ich während dieses Nachmittags den Entschluss fasste, eine vollkommene Studie zu diesem Instrument durchführen zu wollen, indem ich mich nicht nur mit seinen technischen Eigenschaften, sondern auch mit dem geschichtlichen und sozialen Kontext, aus dem es entstanden ist, befassen wollte.
Die Maultrommel ist inzwischen zu einem wichtigen Teil meiner künstlerischen Ausdrucksweise geworden. Die Maultrommel ist nicht nur ein Instrument des traditionellen Studiums, sondern ein nötiger Ausgangspunkt für all diejenigen, die mit originellen rhythmischen und melodischen Einschüben in einer Vielfalt der verschiedensten Musikgenres experimentieren möchten - vom Pop zum Rock, von Techno zu Dance, um nur einige Beispiele zu nennen.
Sie verfügt über eine bezaubernde Klangfülle. Sie lässt die Seele vibrieren.
Gabriele Albanese