Es ist der künstlerische Zugang, der die Maultrommeln von Dmitry Babayev zu den aktuell herausragendsten und auffälligsten Instrumenten aus der russischsprachigen Welt macht. Hinzukommt, dass die Maultrommeln seine Werkstatt in Perfektion verlassen. 2016 gewann er den Maultrommelschmiede-Wettbewerb. Seinen Erfolg betrachtet er ganz unaufgeregt und mit festen Überzeugen. Wir sprachen mit ihm über die ästhetischen Komponenten beim Maultrommelschmieden und seinen persönlichen Zugang zu den Instrumenten.
Wie bist Du zum Maultrommelspielen und -bauen gekommen?
Dmitry Babayev: Als ich anfing Maultrommel zu spielen, liebte ich es dabei einfach nur dazusitzen und in die Weite zu blicken. Ich wollte damals mehr Abwechslung möglich machen, und so stellte ich meine erste Maultrommel einfach selber her. Sie klang lauter und kraftvoller. Weil mir diese erste Maultrommel ganz gut gelungen ist, hab ich noch eine zweite gemacht und so kam der Ball dann ins Rollen.
Wie passt denn so ein vorsichtiges Instrument, mit seinem zerbrechlichen Klang in die heutige Welt? Die Bilder, die Du mit Deinen Maultrommeln veröffentlichst, transportieren eine ganz spezielle Atmosphäre: sie zeigen alte Maschinen, Natur, wecken Assoziationen zu Einsamkeit und Frieden. Diese Welt hat nichts mit dem schnellen, digitalen Leben zu tun, das zwischen Arbeit und Kommunikation hin und her hetzt.
DB: In meinen Instrumenten spiegelt sich die Welt wieder. Ich denke, die Welt mit all den rennenden Menschen, ist nicht echt. Ich denke, dass diese Welt nur ein Moment ist, ein spezieller Fall von Wirklichkeit. Die Maultrommel ist ein altes Instrument. Ich denke, dass die Geschichte der modernen Welt viel kürzer ist, als die Geschichte der Maultrommel. Deshalb ist die Maultrommel für mich viel näher dran an der Wirklichkeit. Obwohl es ein zerbrechliches Instrument ist, so ist es doch auf der ganzen Welt in der Menschheitsgeschichte verankert. Die Maultrommel ist so weit verbreitet, dass wir den kompletten Einfluss auf die Welt und die Musik gar nicht einschätzen können.
Gibt es metaphysische Konzepte, die sich in Deinen Maultrommeln wiederfinden? Schließlich wird die Maultrommel oft als Instrument beschrieben, das zwischen dieser Welt und einem Jenseits vermitteln kann.
DB: Für mich gibt es in der Konzeption von Maultrommeln keinen mystischen Bezug. Das ist auch nicht das Ziel. Es gibt Leute, die das, was für mich natürlich ist, als etwas Seltsames betrachten oder auch metaphysisch nennen würden. Die Maultrommel stellt wirklich eine Verbindung her zwischen dieser Welt und einer anderen Welt. Diese andere Welt ist für mich jedoch eine Welt der Kultur (nicht im traditionellen Sinne), in der auch die Maultrommel geschaffen wurde. Esoterik macht mich eher skeptisch.
Was inspiriert Dich zu den einzigartigen Formen und Designs der Maultrommeln?
DB: Die Natur und das Erbe der alten Welt. Beide sind nicht voneinander zu trennen.
Wie würdest Du Deinen ästhetischen Ansatz beschreiben? Ich sehe sehr viele schöne Bilder und Szenen mit Maultrommeln auf Deiner Internetseite. Es scheint so, als gebe es ein künstlerisches Konzept dahinter.
DB: Bis zu einem gewissen Grad sind Maultrommeln für mich auch Bilder. Ich baue die Instrumente, als wären sie nicht nur handwerkliche Produkte. Ich betrachte die Instrumente eher wie ein Künstler. Für mich sind die Maultrommeln inzwischen wie eine optische Linse, durch die man die Schönheit betrachten kann; ganz so, als wäre ich ein Spiegel für die Welt, die mich umgibt.
Was ist für Dich der perfekte Maultrommel-Sound? Deine Instrumente klingen sehr stabil, voll und sonor, mit einem reichen Oberton-Spektrum. Hast Du eine geheime Formel zur Herstellung der Maultrommeln, damit sie wirklich gut werden?
DB: 1/2: Idealer Klang: Grundsätzlich vermeide ich es über den idealen Klang nachzudenken. In dem Moment, wo ich beginne über diesen idealen Klang nachzudenken, höre ich auf Maultrommeln zu bauen.
2/2: Wenn man die Essenz des Instruments verstanden hat, dann erschließt sich einem auch das Geheimnis des wirklich guten Sounds. Wenn es um die materiellen Komponenten geht, müssen wir zwei Dinge bedenken: Es braucht die Fähigkeit mit Metall zu arbeiten und die Fähigkeit die richtige Geometrie herzustellen.
Wie nimmst Du die Maultrommel in Russland, wahr? Welchen Status hat die Maultrommel dort? Gibt es eine Entwicklung in der Szene?
DB: Ich beschäftige mich mit dieser Frage nicht so sehr. Mein Fokus ist tatsächlich die Herstellung der Instrumente und weniger die geschichtliche Perspektive. Aber was man sagen kann, ist, dass es in Russland viele Kulturen gibt, die die Maultrommel schon seit alten Zeiten her kennen. Die Wahrnehmung und der Umgang mit den Instrumenten heute ist ganz unterschiedlich. Eine Khomus aus Jakutien kann man schwer mit der „russischen Maultrommel“ vergleichen. In Jakutien ist ihr Status ein ganz anderer. Schließlich war die Maultrommel (vargan) in Russland bis vor kurzem fast vergessen. Erst vor wenigen Jahren haben Leute damit begonnen die Instrumente wiederzuentdecken (in diesem Zusammenhang muss man Vladimir Markov hervorheben). Es wurden archäologische Instrumente entdeckt und man versucht nun den „alten russischen Stil“ nachzuempfinden. Parallel dazu gibt es den moderneren Ansatz, wenn die Leute einfach spielen wie sie Lust haben.
Welches Potential siehst Du in den nächsten Jahren für die Maultrommel? Es ist ziemlich mutig sein Leben auf das Maultrommelschmieden zu konzentrieren.
DB: Das Instrument wird unter den Leuten immer bekannter. Außerdem ist die Maultrommel in Russland längst noch nicht überall wiederentdeckt. Sie war vergessen und man beginnt gerade erst sich wieder an sie zu erinnern. Man könnte sagen, es ist eine Lücke in der russischen Musikkultur, die erst wieder geschlossen werden muss. Deshalb denke ich, dass die Maultrommel eine Zukunft hat. Immer mehr Leute interessieren sich dafür.
Für mich ist es viel riskanter für total unbekannte Leute zu arbeiten. Ich hab das ausprobiert und mag es nicht. Ich mache inzwischen nicht nur Maultrommeln. Ich stelle auch Messer her, Äxte und ich will Design studieren. Ich interessiere mich für viele Dinge, also nicht nur für die Herstellung von Maultrommeln.
Das Interview entstand mit der Übersetzung-Hilfe von Daria Chernega. Die Fragen stellte Helen Hahmann.