Vargan, Khomus und Kubyz – Die russische Maultrommellandschaft ist in Bewegung

DAN MOI Clemens Voigt & Sven Otto GbR
Vargan, Khomus und Kubyz – Die russische Maultrommellandschaft ist in Bewegung - Vargan, Khomus und Kubyz. Die russische Maultrommellandschaft ist in Bewegung

Russland ist ein Land mit einer ganzen Handvoll Maultrommeltraditionen: in Jakutien, im Altai und in Tuva wird die Khomus (o.a. Komus) gespielt, in Baschkortostan die Kubyz und im westlichen Russland und in den großen Städten wie Moskau und St. Petersburg hört man den Namen Vargan. Die unterschiedlichen Bezeichnungen geben bereits einen Hinweis auf die verschiedenen kulturellen Verknüpfungen des Instruments. Seit den 2000er Jahren erinnern sich immer mehr Menschen wieder an die Instrumente, nachdem Maultrommeln über viele Jahrzehnte vergessen worden waren. Mittlerweile beschäftigen sich in Russland mehrere hundert Menschen eingehend mit dem Instrument und es dürften Tausende sein, die eine Vargan, Khomus oder Kubyz zumindest einmal in der Hand gehalten haben. Hinzu kommen zahlreiche neue Maultrommelschmiede, die ausgezeichnete Instrumente herstellen. Grund genug für einen intensiveren Blick auf die russische Szene.

Die Vargan in Westrussland

Vargan Maultrommel

Das ist eine Bildunterschrift

Die Maultrommel wurde in Russland noch bis vor kurzem überwiegend mit Sibirien assoziiert. Die Jakuten sind in ganz Russland für ihre virtuose Maultrommelkunst bekannt. Aber auch in Zentral- und Nordwestrussland waren einst viele Maultrommeln im Umlauf. Bisher weiß man relativ wenig über die Geschichte der Maultrommel im Westen des riesigen Landes. Im Russischen Kaiserreich wurden Maultrommeln hergestellt und auch exportiert. Bei Ausgrabungen fanden Archäologen Maultrommeln, die bis ins 9. Jahrhundert zurückdatiert werden konnten. Michael Wright hat eine eindrucksvolle Karte zusammengestellt, auf der sogar einige noch frühere Fundstellen verzeichnet sind. Eine Karte von Aksenty Beskrovny weist ebenso auf konkrete Fundorte im Westen Russlands, in der Ukraine und in Weißrussland hin. Die Vargan geriet im 19. Jahrhundert (wie auch in vielen anderen Regionen in Europas) in Vergessenheit. Die Szene derer, die das Instrument nun neu entdecken, wächst stetig. Mit Olga Prass, Olena Uutai, Irina Bogatyrev, Natalia Ducheva, Aksenty Beskrovny oder Vladimir Markov sind nur einige wenige spannende Musikerinnen bzw. Musiker genannt.

Die Kubyz in Baschkortostan

In Baschkortostan gehört die Maultrommel gemeinsam mit der Flöte Kuraj (oder auch Quray) zu den traditionellen Musikinstrumenten des Landes. Die Kubyz wird an Musikschulen unterrichtet und es finden regelmäßig Wettbewerbe statt, bei denen mehrere Hundert Spielerinnen und Spieler antreten. Nachdem die Kubyz in der Sowjetunion nahezu in Vergessenheit geraten war und nur noch von wenigen Musikern gespielt wurde, hat sich das Instrument inzwischen einen äußerst guten Ruf in der baschkirischen Gesellschaft erarbeitet. Die Kubyz wird heute überwiegend auf der Bühne gespielt, in der Vergangenheit jedoch war die Maultrommel in Baschkortostan vor allem ein Instrument, das von Schamanen während der Zeremonien benutzt wurde. Zu den überregional bekanntesten Spezialisten gehört Mindigafur Zainetdinov.

Die Vargan im Altai-Gebirge

Vargan Maultrommel aus dem Altai

Im Altai-Gebirge gibt es die Legende der Bären-Maultrommel. Sie erzählt die Geschichte eines Jägers, der auf der Jagd einen Bären dabei beobachtet, wie dieser am Holzspan einer vom Blitz gespaltenen Lärche zupft. Das Holz der Lärche war trocken und der Korpus des Baumes hatte eine gute Resonanz. Der Jäger mochte den Klang, den der Bär mit dem geborstenen Holz erzeugte. Er ließ nicht nur den Bären leben, er fertigte sich selbst eine Maultrommel an. Seitdem werden im Altai Maultrommeln hergestellt.

Das Maultrommelspielen hat bei vielen Turkvölkern Zentralasiens und so auch im Altai-Gebirge eine lange Tradition. Wie in Jakutien ist die Khomus ein Instrument der Frauen. Sie sollen die Maultrommel z.B. beim Melken gespielt haben, damit die Kuh mehr Milch gibt. Die räumliche Nähe von Jakutien und dem Altai (und auch mit Tuva) hört und sieht man dem Maultrommelspiel an. Während man beim älteren Stil im Altai lediglich den Zeigefinger bewegt, um die Maultrommel anzuzupfen, kreist die Hand tänzerisch beim Spielen nach der klassischen Technik. Ganz ähnlich wie in Jakutien und Tuva kombinieren die Musiker den Klang der Maultrommel mit Stimmlauten.

Die Khomus in Jakutien

Die Maultrommelmusik aus Jakutien ist heute für Musikerinnen und Musiker aus der ganzen Welt eine wichtige Referenz. Die absolut magischen Klänge der jakutischen Maultrommelkunst verbinden eine präzise Spieltechnik mit kunstvollen Bewegungen, die Imitation von Naturstimmen wir das Wiehern der Pferde oder das Plätschern der Regentropfen. Das Besondere ist, dass in Jakutien die Stimme während des Maultrommelspielens bewusst eingesetzt wird. Diese Technik beherrschen die Jakuten bis zur Perfektion.

Die Maultrommel, Khomus, ist das Nationalinstrument Jakutiens und wird nicht zuletzt deshalb breit gefördert. Es gibt in Jakutsk ein Maultrommelmuseum, zahlreiche Konzerte und mehrere Programme, die das Maultrommelspielen verbreiten. Eine der überregional bekanntesten Gruppen heißen Ayarkhaan. Aber man findet in Jakutien sehr viele, zum Teil auch sehr junge, virtuose Spielerinnen und Spieler. Hören kann man diese u.a. auf den regionalen Wettbewerben.

Die Khomus in Tuva

Die Region Tuva ist in erster Linie für ihre Obertonsängerinnen und -sänger bekannt. Jedoch wird auch dort Maultrommel gespielt. Obertongesang und Maultrommelklang werden miteinander verschmolzen. Es entsteht so ein unverwechselbarer Stil.

In Tuva erzählt eine Legende wie die Maultrommel zum Symbol der Liebe zwischen zwei Menschen geworden ist: Einst waren ein Schmied und ein Mädchen ineinander verliebt. Das Mädchen wurde von ihrem Vater gezwungen einen anderen Mann zu heiraten, weil der mehr Geld besaß. Der Schmied litt unter dieser Trennung so sehr, dass er eine Khomus schmiedete und fortan immerzu darauf spielte. Er hörte sogar auf zu essen und zu trinken, er spielte nur noch Maultrommel, um seine Traurigkeit zu vergessen. Dennoch stürzte sich der Schmied eines Tages in seinem Kummer von einer Klippe. Als das Mädchen dies erfuhr, folgte sie ihm in den Tod. Von den beiden blieb nur die Maultrommel übrig, die der Schmied mit seinem gebrochenen Herzen hergestellt hatte.

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