Mit Anton Bruhin in die Welt des Trümpi abtauchen

DAN MOI Clemens Voigt & Sven Otto GbR
2014-12-04 00:00:00
Mit Anton Bruhin in die Welt des Trümpi abtauchen -

Der Schweizer Anton Bruhin ist einer der experimentellsten Musiker und Experten der Maultrommel-Szene. Eine Person, die das Instrument seit über 40 Jahren in immer neuen, überraschenden Kontexten denkt, es mit technischen Erfindungen kombiniert und in klangkünstlerischen Zusammenhängen präsentiert. Einen Eindruck davon wie facettenreich Anton Bruhin den Charakter der Maultrommeln versteht und interpretiert, gibt der Film "Trümpi – Anton Bruhin – Der Maultrommler" des Schweizer Filmemachers Iwan Schumacher. Trümpi wird in der Zentralschweiz häufig als Bezeichnung für die Maultrommel gebraucht. Der Musiker und Komponist Sebastian Vierung erwähnte das Instrument unter dem Begriff "Trumpel" im Jahr 1511 in seiner Schrift "Musica getutscht und außgezogen". Anton Bruhin sagt, "die Maultrommel hat mich sofort in Bann genommen, das war genial. Sie war klein, hat kaum 2 Schweizer Franken gekostet und wurde total unterschätzt."

Bruhin entdeckte die Maultrommel in einer Zeit, als die Moog-Synthesizer und die psychedelische Musik populär wurden. "Mir fiel damals auf, dass die Maultrommel wie ein Synthesizer tönt. Dabei ist doch die Maultrommel neben der Stimme das einzige organische Instrument, bei dem der Ton innerhalb des Körpers produziert wird. Und dennoch ist ihr Klang dem Moog so ähnlich. Die Maultrommel ist ein Synthesizer. Die sphärischen Sounds lassen sich direkt, ohne Schaltungen, ohne Knöpfe drehen, produzieren." Die Form der Mundhöhle und die Zunge bzw. die geformten Vokale bestimmen, welche Obertöne beim Klang der Maultrommel hervortreten. Diese Eigenschaften der Maultrommel faszinieren Anton Bruhin bis heute.

"Ich komme aus dem Kanton Schwyz. Aus dem äußeren Teil, zwischen Zürichsee und Wallensee. In dieser Gegend habe ich in meiner Kindheit nie eine Maultrommel gesehen oder gehört. Ich hätte mich ganz bestimmt erinnert, wenn Maultrommel gespielt worden wäre, denn ich bin schon als Kleiner auf allen vieren zu den Musikanten hingekrabbelt und hab zugeschaut, wo wohl der Saft aus der Trompete rauskommt." Anton Bruhin sah und hörte seine erste Maultrommel im Alter von 18 Jahren. Das war in Zürich Ende der 1960er Jahre. Ein Straßenmusiker zeigte ihm, wie man das Instrument spielt. Bruhin brachte den Metallkörper schnell zum klingen und beim Abschied schenkte ihm der Straßenmusiker eine Maultrommel. "Ich denke aber, dass spätestens seit dem Mittelalter in ganz Europa überall Maultrommeln gespielt wurden. Es gibt Ausgrabungen von Maultrommeln in der Schweiz aus dem 13. Jahrhundert. Das sind noch nicht mal die ältesten", erzählt Anton Bruhin. Man habe die Instrumente in größeren Mengen in Burggräben gefunden, was darauf hinweise, dass sie möglicherweise im Alltag der Menschen omnipräsent waren und auf jedem Markt zu haben waren.

"Interessant ist die Frage nach dem Alter der Maultrommel. Meines Wissens ist die älteste Ausgrabung einer Maultrommel aus organischem Material aus der Mongolei über 2000 Jahre alt. Sie konnte im Permafrostboden gefunden werden. Die ersten Maultrommeln waren ja aus Bambus oder Holz, also aus Material, das normalerweise verrottet." Verdrängt wurden die Maultrommeln erst im 19. Jahrhundert durch die Popularität von Mundharmonika, Akkordeon und Bandoneon. Diese komplexeren Instrumente nutzten wie die Maultrommel das Prinzip der durchschlagenden Zunge. Sie entsprachen mit ihren Klangeigenschaften jedoch mehr dem damaligen Musikverständnis, sie waren lauter und man konnte eindeutigere Melodien spielen.

Lange auseinandergesetzt hat sich Anton Bruhin mit der vermeintlichen Tatsache, dass man auf der Maultrommel nicht so einfach eine Melodie spielen konnte, die für Zuhörende wiedererkennbar war. "Ich konnte einfach kein richtiges Musikstück spielen. Also habe ich mich mehr auf das perkussive und klangliche der Maultrommel konzentriert. Und erst in den 1990er Jahren habe ich mir das Wechselspiel angeeignet, wie es die Tiroler und die Bayerischen Maultrommelspieler machen, mit drei oder mehr Maultrommeln wechselweise." Auch der Umstieg auf handgefertigte Maultrommeln, mit besseren Klangeigenschaften habe wesentlich dazu beigetragen, dass Anton Bruhin heute klar Melodien auf dem Instrument artikulieren kann. Die Obertonmelodien sind leichter nachvollziehbar und Bruhin spielt das Instrument nun längst nicht mehr nur solistisch, sondern auch in Gruppen zusammen mit anderen Musikerinnen und Musikern, wie z.B. mit Max Lässer und das Überlandorchester.

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