Nachhaltigkeit auf ganzer Linie: Das Ancient Trance Festival 2016 setzt auf den bewussten Umgang mit Klang, Umwelt und Mensch.

DAN MOI Clemens Voigt & Sven Otto GbR
Nachhaltigkeit auf ganzer Linie: Das Ancient Trance Festival 2016 setzt auf den bewussten Umgang mit Klang, Umwelt und Mensch. - Das Ancient Trance Festival setzt auf den bewussten Umgang mit Klang, Umwelt und Mensch. Die Geschichte von Entwicklung und Wandel eines Festivals.

Das Ancient Trance Festival in Taucha bei Leipzig startete vor über zehn Jahren als kleiner, kompakter Konzertmoment für Maultrommelmusik. Schon nach den ersten Festivals signalisierte das Publikum, dass es Lust auf den vom Ancient Trance Team geschaffenen Kosmos zwischen transzendenter Live-Musik, ressourcenbewusstem Feiern und Mitmach-Angeboten hatte. 2014 zog es am ersten August-Wochenende dann mehr als 4000 Menschen nach Taucha.

Ancient Trance Festival 2014

Wie blickt das Team der Organisierenden auf das Ancient Trance Festival? Corinna Klinke gehört dem Kommunikationskreis des Festival-Teams an und gewährt einen Einblick in die Strukturen, das Selbstverständnis und die Zukunftsvisionen von Europas größtem Maultrommelfestival. Für den DAN MOI Blog unterhielt sich Helen Hahmann mit ihr.

Helen Hahmann (HH): Nach dem sehr erfolgreichen Ancient Trance Festival 2014, das u.a. den Kongress der Internationalen Jews Harp Society beherbergte, hatten sich wahrscheinlich viele Leute den Termin im August 2015 schon rot angestrichen. Dann habt ihr bekannt gegeben, ein Jahr zu pausieren und das nächste Festival erst 2016 zu organisieren. Warum?

Corinna Klinke (CK): Wir haben auch in den Jahren zuvor gerne mal einen Schritt zurück gemacht. Das Festivalgelände war z.B. vor ein paar Jahren noch größer, es gab noch eine Bühne im heutigen Campingbereich. Nach diesem großen Festival haben einige aus dem Team gesagt, das war uns doch ein bisschen zu viel und dann haben wir uns wieder verkleinert und das Jahr darauf eine Bühne weniger aufgebaut. Das ist ein sehr prägender Aspekt für das Festival, dass wir schauen, was können wir überhaupt leisten, also ein eher nachhaltiger Umgang im Team, dass das Festival nicht die Leute verbrennt. Schließlich machen wir das alle ehrenamtlich. 2015 haben dann viele aus dem Team gefragt, woher kommt eigentlich die Kraft, um das so zu stemmen und dann war klar, wir brauchen mal ein Jahr Pause und arbeiten an der Mission und Vision des Festivals. Was wollen wir eigentlich und wie können wir das umsetzen? Eine wichtige Frage war dabei auch die Wertschätzung der Arbeit – nicht im finanziellen Sinne gedacht, sondern wie können wir „Danke“ sagen, dafür, dass die Leute das stemmen? Wie können wir als Team zusammenwachsen, damit das Festival auch zu einem Langzeitprojekt wachsen kann?

HH: Wer sind die Leute, die das Festival organisieren?

CK: Von außen bekommt man vielleicht schnell den Eindruck, das sind „Hippies“, die dahinter stecken, also so Leute mit Dreadlocks und bunten Klamotten. Und na klar, die gibt es. Es sind aber auch Leute dabei, die ähnliche Events in anderen Musiksparten organisiert haben und die einfach Lust haben auch was Neues kennen zu lernen. Uns vereint die Art von Musik, also das Virtuose und natürlich der Aspekt „Maultrommel“. Außerdem mag ich es z.B., mich von der Musik und von Gruppen, die ich noch nicht kenne, überraschen zu lassen. Also die Mischung an Leuten ist ganz bunt und damit sind auch die Interessen ganz vielfältig. Deswegen haben wir das letzte Jahr auch dafür genutzt eine Form der Kommunikation zu finden, die allen gerecht wird, also Konsens statt Content. Wir haben uns in einer Struktur organisiert, die sich Soziokratie nennt. Die verschiedenen Bereiche arbeiten dabei in Kreisen, sind also auf bestimmte Aufgaben spezialisiert. Es gibt bei den Treffen dieser Kreise z.B. ein sogenanntes „Check in“ und „Check out“, das den Leuten die Möglichkeit geben soll erst mal anzukommen: die einen kommen von der Arbeit, die anderen von einer Weltreise oder vom Abendbrot mit der Familie, d.h. jeder in der Gruppe bekommt seinen Raum. Es gibt weiterhin eine_n Moderator_in, der oder die darauf achtet, dass jede_r in der Gruppe zu Wort kommen kann oder, dass wenn jemand sehr lange spricht oder sich wiederholt ein Rahmen für das Treffen durch den Moderierenden geboten wird.

HH: Wie bist Du zum Ancient Trance Festival dazugekommen?

CK: Ich bin seit 2010 dabei. Damals habe ich am Schwarzen Brett einen Aushang gelesen, dass Leute gesucht werden. Ich hab mich dann mit dem Team getroffen und bin relativ schnell eingestiegen und hab ein paar Jahre lang die Presse koordiniert. Das hatte damit zu tun, dass ich Kommunikations- und Medienwissenschaften in Leipzig studiert hatte. Das wurde mir dann aber irgendwann zu eintönig, außerdem kam mein erstes Kind und ich habe deshalb mit im Büro gearbeitet. Das hat sehr viel Spaß gemacht, aber auch viel Kraft gekostet. Und 2014 habe ich dann in der Künstlerbetreuung mitgemacht.

HH: Was hat sich programmlich beim Ancient Trance Festival verändert? Gibt es Neuerungen im Vergleich zu 2014?

CK: Es kommen viele Weltmusikbands, die noch nie auf dem Ancient Trance gespielt haben. Aber auch ein paar bekannte Gruppen sind dabei, z.B. die Airtists um den ungarischen Musiker Áron Szilágyi. Gerade mit den Maultrommelvirtuosen kommen natürlich immer wieder ähnliche Künstler in unterschiedlichen Besetzungen, z.B. der Multiinstrumentalist und Maultrommelspieler Nadishana aus Russland. Er spielt 2016 zusammen mit Dima Gorelik aus Israel im Duo. Wir denken darüber nach, künftig auch ein Oberthema für das Festival zu finden, das könnte z.B. ein musikalisches Thema sein, wir können uns aber auch Themen wie Nachhaltigkeit oder Völkerverständigung vorstellen. Diese Überlegung befindet sich aber noch im Entstehungsprozess.

HH: Was sind Deine oder auch Eure Visionen für Euer Engagement beim Festival? Was treibt Euch an? Was hofft ihr mit dem Festival zu bewegen?

CK: Also, was mich antreibt, ist diese Zusammenarbeit im Team. Für mich war das damals, als ich in die Struktur reinkam ein Aha-Erlebnis, „so kann man auch miteinander kommunizieren“. Die Soziokratie hat dann letztes Jahr noch einmal sehr viele gepackt und Interesse geweckt. Was mich z.B. sehr beeindruckt hat ist die Konsensentscheidung: wenn wir z.B. Dinge abstimmen, dann versuchen wir die Entscheidung nicht nach Mehrheiten zu fällen, sondern zu einem gemeinschaftlich getragenen Entschluss zu gelangen.

Das Ancient Trance ist kein Festival, das bis nachts um drei geht oder länger. Spätestens um ein Uhr ist auf den Bühnen Schluss. Das Schöne aber ist, dass danach noch überall Leute auf den Wiesen sitzen und zusammen Musik spielen, also kleine Sessions entstehen; das ist etwas, das für Festivals vielleicht nicht so üblich ist, dass der Gast selber auch noch Musik macht. Beim Ancient Trance kommt man dazu sich zu treffen, sei es bei der Musik oder früh beim Lachyoga oder am See, wenn man die Stimmung genießt. Dass das Festival so anders ist, ich denke, das zieht viele Leute an und das weckt auch das Interesse selbst mitzumachen. Es gibt viele im Team, die erst Gast waren und dann Lust darauf hatten selber mitzumachen. Das ist es, was uns alle motiviert.

Ancient Trance Festival 2016

HH: Was wünschst Du Dir für die Zukunft des Festivals?

CK: Ich wünsche mir, dass das Ancient Trance „gesund wächst“. Viele Festivals wurden gehypt und dann wurde ganz schnell etwas ganz großes draus. Das hat einiges vom Charme dieser Festivals kaputt gemacht und das wünsche ich dem Ancient Trance gar nicht. Sondern vielmehr, dass es auf eine gesunde Weise mit seinen Ressourcen und Energien wächst. Dazu gehört auch, dass es nicht zu einer Routine wird, was wir da tun, sondern dass der Platz für spontanes Agieren bleibt, dass das Festival lebendig bleibt und seine Offenheit bewahrt. Offenheit im Sinne, dass man schaut, was passiert eigentlich um uns herum, wie verändert sich unsere Gesellschaft, wie verändern sich unsere Gäste, was kommen für neue Gäste dazu und was haben die für Wünsche.

Das Ancient Trance Festival findet 2016 vom 12. bis 14. August statt. Das Gespräch mit Corinna Klinke ist nachhörbar auf freie-radios.net: https://www.freie-radios.net/76226


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