Die Maultrommel als »Brummlieferant« – Erweiterungen der Maultrommel-Mechanik

DAN MOI Clemens Voigt & Sven Otto GbR
Die Maultrommel als »Brummlieferant« – Erweiterungen der Maultrommel-Mechanik - Die Maultrommel als »Brummlieferant« – Erweiterungen der Maultrommel-Mechanik

Die Mechanik der Maultrommel ist ganz einfach: In einem Rahmen aus Metall oder Bambus ist eine bewegliche Zunge angebracht, die (in der Regel) durch Menschenhand in Gang gesetzt wird. Die Verwirbelung der Luft, die zwischen dem Rahmen und der bewegten Zunge entsteht, generiert ein Surren. Dieses Brummen kann durch Resonatoren verstärkt werden. Der beliebteste und vielseitigste Resonator ist der menschliche Körper – hält man die Maultrommel an den Mund, wird das leise Surren lauter und kann mit Hilfe der Mundhöhle variiert werden. Wie kann dieser Mechanismus erweitert werden? Welche Alternativen und Erweiterungen sind denkbar? Wie klingen solche Erweiterung? An dieser Stelle seien einige bereits bekannte Experimente zusammengetragen.

Der Schweizer Klangkünstler und Maultrommelexperte Anton Bruhin sagt, "die Maultrommel ist nur ein Brummlieferant. Das könnte auch ein Rassierapparat sein, oder eine elektrische Zahnbürste. In Papua gibt es eine Sago Palme. In dieser Palme lebt der Sago-Käfer. Dort nehmen sie von der Palme ein Blatt und spießen den Käfer mit der Rippe des Blattes auf. Der Käfer brummt und will fliehen, er steckt aber fest. Den brummenden Käfer hält man vor den Mund. Das soll nur sagen, dass der Generator eigentlich ersetzbar ist.“ Als Tierschützer_innen zweifeln wir dieses "Musikinstrument" an und hoffen, es werde möglichst selten bzw. gar nicht gebaut. Interessant ist lediglich der Grundgedanke eines "Brummlieferanten". Musik mit dem von Bruhin erwähnten Sago-Käfer wurde auf der CD „Music and the Dispel of Thoughts“ (1999) von dem niederländischen Maultrommel-Fachmann Phons Bakx veröffentlicht.

Ausgehend von dieser Überlegung experimentiert Anton Bruhin bereits seit vielen Jahren mit verschiedenen Neukonstruktionen. 1994 gab er einem Ingenieur den Auftrag eine elektromagnetische Maultrommel zu bauen. Eine Magnetspule ist dabei auf die Feder der Maultrommel gerichtet und gibt Impulse, mit welchen die Zunge in Schwingung versetzt wird. Dadurch können neue Klangeffekte erzielt werden, z.B. kann der Ton durchgehend klingen. Dadurch ist auch eine Hand beim Maultrommel spielen frei, mit der freien Hand hält Bruhin andere Resonatoren vor die Mundhöhle, z.B. Töpfe mit Löchern oder gestimmte Röhren.

Wie die elektromagnetische Maultrommel klingt, ist z.B. im Titel "Mr. Terrine" auf Bruhins Album "Travels with a Trump" zu hören. Auf dem Album sind außerdem Virtuosen wie Leo Tadagawa aus Tokio und Albina Degtyareva aus Jakutsk versammelt. Der Schulterschluss von traditioneller Maultrommelmusik, Volksmusik und avantgardistischen Klangexperimenten ist auch heute noch eine äußerst spannende Hör-Reise durch die Klangkosmen der Maultrommel. Einen ausführlichen Eindruck davon wie facettenreich Anton Bruhin den Charakter der Maultrommeln versteht und interpretiert, gibt der Film "Trümpi" des Schweizer Filmemachers Iwan Schumacher, der Anton Bruhin auf einer Reise zu den jakutischen Maultrommelspielerinnen und Maultrommelspielern begleitet. „Travels with a Trump“ ist der Soundtrack zum Film "Trümpi" über Anton Bruhin und die Maultrommel aus dem Jahr 2000.

Beim Mundbogen ist der Mechanismus, mit dem der Ton erzeugt wird, ganz ähnlich. Eine Saite aus Stahl oder Rattan ist auf ein Stück Holz gespannt und wird mit einem Stock angeschlagen. Als Resonator dient die Mundhöhle des Musikers. Am häufigsten gespielt werden Mundbögen in verschiedenen afrikanischen Ländern, wie Angola, Malawi, Nigeria und Südafrika. Dan Moi Records veröffentlichte 2006 einen Sampler mit Mundbogen-Musik aus Malawi, Angola, Tanzania, Gabon, Namibia und Senegal. Die CD "The African Mouthbow" versammelt unterschiedlichste Stilistiken und Variationen des Mundbogen Spielens. Das Material dürfte nicht nur Mundbogenspieler inspirieren, sondern bietet auch Maultrommelspielerinnen und Maultrommelspielern Anregungen für neue Melodien und Rhythmen. Die Akele in Gabun spielen "ngongo". "Ngongo" ist das Wort für den Mundbogen in der Sprache Akele.

Der Mundbogen gehört außerdem auch zur Kultur der Maori in Neuseeland. Als Instrument ist er weiterhin bei den Mapuche in Südchile und -argentinien bekannt. Das äußerst beliebte Birimbau, das beim Capoeira gespielt wird, funktioniert wie ein Mundbogen, nur, dass der Ton nicht durch die Mundhöhle des Musikers, sondern durch eine Kalebasse verstärkt wird.


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