„Mein guter Freund seit 56 Jahren.“ Spiridon Shishigin war zu Gast in Leipzig

DAN MOI Clemens Voigt & Sven Otto GbR
„Mein guter Freund seit 56 Jahren.“ Spiridon Shishigin war zu Gast in Leipzig - Die Maultrommel Khomus ist seit 56 Jahren sein guter Freund. Spiridon Shishigin aus Jakutien war zu Gast in Leipzig.

An einer dünnen, geflochtenen Kordel baumelt eine jakutische Maultrommel um den Hals von Spiridon Shishigin. Sie ist in einem Holzkästchen gebettet. Die Maultrommel fällt ins Auge, denn sie ist mit einer großen 65“ verziert. „Diese Khomus“, sagt Spiridon Shishigin, nachdem er das erste Stück auf einer anderen Maultrommel gespielt hatte, „ist ein Geschenk meiner Freunde zu meinem 65. Geburtstag. Das war letztes Jahr. Jetzt bin ich 66 Jahre alt. Ich spiele seit ich fünf bin. Die Khomus ist also seit 56 Jahren mein guter Freund.“ Er spricht vorsichtig, mit gedämpfter Stimme. Er schmunzelt, nimmt dann die geschätzte Maultrommel in beide Hände, hebt sie vor den Mund, hält inne, schnauft, läßt sie einen Moment vor seine Brust sinken, als wolle er durch diese Bewegung seinen Worten Nachdruck verleihen und setzt das Jubiläumsinstrument schließlich zwischen die Lippen.

Am 15. Februar 2017 besuchte Spiridon Shishigin den Projektladen „Sinn und Sein“ in Leipzig. Um ein Konzert des weltweit berühmten Maultrommelvirtuosen aus Jakutien zu hören, kamen etwa 30 Fans und Gäste aus der ganzen Region. Hier, wo sich auch die Organisator_innen des Ancient Trance Festivals zur Planung treffen, liegt an diesem Winterabend ein Duft von indischem Chai in der Luft. Farbige Lichter bilden die Kulisse für den warmen Klang aus dem ewigen Eis und den langen Wintern. „Ich komme aus Sibirien und spiele für Euch ‚die Tundra’ auf meiner Maultrommel“, sagt Spiridon Shishigin und greift eines der ehrwürdigen Elemente der jakutischen Maultrommelkunst auf, das Klang und Schwingung unmittelbar mit Natur und Landschaft in Beziehung setzt: die Improvisation.

Spiridon Shishigin spielt Konzert in Leipzig, 2017

Spiridon Shishigin live beim Konzert in Leipzig, Februar 2017.

„Ich spiele ‚die Tundra‘ für Euch, aber ich muss Euch sagen, ich war noch nie dort. Die Reise in die Tundra dauert viel länger, als eine Reise nach Berlin. Mit dem Flugzeug bin ich in neun Stunden in Berlin. Wenn ich in die Tundra reisen will, dann muss ich fliegen und noch stundenlang mit dem Auto fahren. Deshalb war ich noch nie da.“ Der beständige Wind der Tundra brauste durch Leipzig, zum Leben erweckt, durch die jakutische Maultrommel Khomus. Ein „Kuckuck“ rief aus der Kehle Shishigins den baldigen Frühling aus. Melodien bahnten sich ihren Weg und zeichneten eine karge, endlose Steppe im Norden Russlands.

Dass Shishigin in Leipzig zu hören war, ist der Freundschaft mit Clemens Voigt von DAN MOI zu verdanken. Die beiden kennen sich seit 13 Jahren und spielten an diesem Abend auch ein Maultrommelduett für das Publikum. Allen, die die Gelegenheit verpasst haben Spiridon Shishigin live zu erleben, sei in Aussicht gestellt: Der Meister hat einen guten Grund in Zukunft häufiger nach Leipzig zu kommen, denn seit kurzem lebt die Familie seiner Tochter in Delitzsch.


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