Über 200 Musikinstrumente spielt der Multiinstrumentalist Nadishana. Die Maultrommel, sagt er, ist eines seiner Lieblingsinstrumente. „Man kann sie überall spielen, auch an öffentlichen Plätzen, ohne viel Aufsehen zu erregen. Wenn ich irgendwo warten muss, dann nutze ich die Zeit oft zum Üben.“
Nadishana wuchs in einem Dorf in Südsibirien auf und studierte in Sankt Petersburg. Seit über zehn Jahren lebt er nun in Berlin. Er ist einer der beliebtesten Musiker, die regelmäßig beim Ancient Trance dabei sind, dem Festival für Maultrommel und Weltmusik. Im August 2016 traf ihn Helen Hahmann auf dem 8. Ancient Trance in Taucha bei Leipzig und sprach auf dem Schlosshof mit Nadishana über seinen Zugang zum Maultrommelspielen, seinen ganz persönlichen Stil zu spielen und seine favorisierten Maultrommeln:
Ich will generell etwas über Musik erfahren
Die Maultrommel ist dort, wo ich herkomme, nicht wirklich populär. Vor 15 Jahren spielte das Instrument noch gar keine Rolle in Südsibirien. Die Maultrommel war also bei weitem nicht so präsent wie im Norden Sibiriens, in Jakutien. Ich glaube, ich habe die ersten seltsamen Bäng-Bäng-Klänge auf Schallplatten gehört, als ich noch in Russland lebte.
Schallplatten konnte man in den Bibliotheken ausleihen, denn vor zehn Jahren gab es nicht so wie heute jede Musik, die einen interessierte einfach im Internet. Jedenfalls haben mich die Aufnahmen begeistert, wow, ich wollte wissen, was das für ein Instrument ist. Also habe ich Bücher gelesen und Musikinstrumentenmuseen besucht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nie jemanden live spielen sehen. Als ich dann drei Jahre später in Sankt Petersburg studierte, kaufte ein Freund von mir eine Maultrommel in einem Second Hand Geschäft. Er spielte sie und ließ es mich auch versuchen.
Meine erste Maultrommel kaufte ich dann in Kysyl, in Tuva. Es war keine besonders gute Maultrommel, sie ging mir schnell kaputt. Aber ich habe angefangen darauf zu üben. Dann bekam ich eine Maultrommel aus dem Altai. Ich bin ursprünglich Gitarrist, ich spiele auch Percussion und Flöte und einige andere Instrumente. Mir geht es nicht darum nur ein Instrument zu spielen. Ich will generell etwas über Musik erfahren.
Ich denke beim Maultrommelspielen an ein Orchester
Ich bin kein Maultrommelspieler, ich bin ein Musiker, der Musik in allen erdenklichen Formen erforscht. Aber die Maultrommel ist ein interessantes Instrument, denn sie ist zwar einfach, aber hat eine Menge Kraft, eine Menge Möglichkeiten und so viele seltsame Klänge, die man mit ihr erzeugen kann. Und es ist ein wirklich ein alter Klang. Wie bei anderen Obertoninstrumenten auch, kann man die Flageolett-Töne hervorheben.
Mein Stil kommt also von meinen vorherigen Erfahrungen, die ich mit Musik gemacht habe. Ich spiele Schlagzeug und Percussion und ich übertrage diese Techniken und Rhythmen auf die Maultrommel. Ich arrangiere auch Musik, d.h. ich denke beim Maultrommelspielen an ein Orchester: Jetzt setzen die Violinen, jetzt die Percussion, jetzt haben die Percussioninstrumente Pause, jetzt spielt das ganze Orchester oder jetzt hören alle bis auf ein Instrument auf zu spielen. Ich denke an Tempowechsel, Modulationen der Melodie usw. Ich arrangiere während des Maultrommelspielens die Musik wie für ein Orchester.
Natürlich bin ich auch von anderen Maultrommeltechniken und anderer Musik inspiriert, z.B. von der indischen Kunst des Maultrommelspielens und der indischen Musik im Allgemeinen. Was in Indien auf der Morsing gespielt wird, ist unglaublich. Oder auch Norwegen: Dort haben sie diese fantastische Tradition Melodien auf der Maultrommel zu spielen.
Am liebsten spiele ich die japanische Maultrommel Kohkin
Für mich ist die Maultrommel deshalb so attraktiv, weil sie so klein und auch weil sie leise ist. Ich kann sie überall mit hinnehmen. Man kann die Maultrommel an öffentlichen Orten spielen, ohne auch nur irgendjemanden zu stören. Aus diesem Grund spiele ich auch so oft Maultrommel, weil ich sie immer dabeihabe. Wenn ich irgendwo warte, dann hole ich sie einfach raus und vertreibe mir die Zeit.
Am liebsten spiele ich die japanischen, schwarzen Maultrommeln Kohkin. Ich mag sie, weil ich nur auf kleinen Maultrommeln spiele und der Schmied aus Japan sehr gute, kleine Instrumente baut. Auf diesen kleinen Kohkin kann ich alle meine Spieltechniken umsetzen. Das einzige Problem ist, dass ich mit meiner Art zu spielen die Instrumente schnell kaputtmache. Drei sind mir schon kaputtgegangen und weil die Kohkin ziemlich wertvoll sind, habe ich mich entschieden etwas günstigere Instrumente zu spielen. Deshalb spiele ich jetzt überwiegend Vargan-Instrumente von Paul Potkin aus dem Altai. Sie sind günstig, die Qualität ist gut und sie gehen mir einfach nicht so schnell kaputt.