Petr Jasinčuk alias Brumlista hat mit einem Video viele Leute zum Staunen gebracht: er spielte seine Maultrommel in tiefster Winterskälte, bis zum Hals in das Wasser eines Sees getaucht. Um ihn herum Eis und verschneite Bäume. Bei diesem klirrend kalten Bad trägt er eine Mütze und Sonnenbrille. Umzingelt von schneebedecktem Eis spielt er auf der Maultrommel, der brumle oder brumla wie sie auf Tschechisch heißt. Doch Petr ist inzwischen längst nicht nur für seinen extremen Wassersport bekannt, sondern vor allem auch als Motor der tschechischen Maultrommel Community und als Musiker. Unter dem Namen Brumlista spielt er einen einzigartigen Stil, der das Maultrommelspielen mit Gesang und Beatbox-Elementen mixt. Petr sprach im September 2019 mit Helen von DAN MOI am Telefon über seine Motivation sich seit nun mehr acht Jahren so intensiv der Maultrommel zuzuwenden.
„Ich praktiziere die Wim Hof Methode. Das ist eine Abhärtungs- und Atemtechnik. Im Winter gehe ich zum See, schlage ein Loch ins Eis und bade minutenlang darin. In einem Video sieht man mich, wie ich bei einer solchen Gelegenheit in dem See Maultrommel spiele. Es war eine schwierige und gleichzeitig lustige Situation.“ Die Mütze sei typisch für dieses ungewöhnliche Training. Denn erst nach vielen Jahren der Übung tauche man mit dem Kopf auch unter Wasser. Von Petr findet man auch noch andere, weniger extreme Filme, in denen er in der freien Natur Maultrommel spielt. Er sagt, die Natur passt für ihn viel besser zur Maultrommel als die Stadt. Petr lebt in der Nähe von Prag. Zu Hause spiele er viel ohne Mikrophon und Verstärker. Er sucht Orte an denen es ein schönes Echo gibt, wie z.B. der Flur seines Hauses oder der Innenraum einer Kirche.
Ein Mikrophon benutzt Petr, wenn er auf der Bühne spielt. Das Gefühl mit Verstärker Maultrommel zu spielen, sei ein ganz anderes. „Man kann detailreicher spielen und mehr Obertöne ausdrücken, präziser die Atmung einsetzen und somit deutlicher artikulieren.“ Einen dieser kraftvollen Auftritte kann man nachhören auf dem youtube-Kanal von Brumlista. Ein Mitschnitt seines Konzertes zeigt ihn beim Ancient Trance Festival in Taucha, u.a. im Duett mit dem virtuosen Steev Kindwald. Neben Steev sind es auch Musiker wie Jonny Cope und Nadishana, Vladimir Markov und Aron Szilágyi, die das Spiel von Brumlista in den vergangenen Jahren geprägt haben.
Die erste Begegnung mit der Maultrommel hatte Petr in einem Musikgeschäft. Dort fand er ein simples, eher schlechtes Instrument, das er im ersten Moment für ein Spielzeug hielt, das aber dennoch seine Neugier weckte. Er begann sich für Maultrommeln zu interessieren: „Ich habe viele Youtube Videos geschaut und habe Webseiten gelesen über die Maultrommel. Das Spielen habe ich auf diese Weise im Selbststudium gelernt. Ich fand dabei auch meinen ‚inneren Lehrer‘, der mir bis heute hilft mich auf dem Instrument weiterzuentwickeln. Ich würde es als einen Geisteszustand beschreiben, einen weiten inneren Raum, in dem ich neue Fähigkeiten entfalten kann. Dieser ‚innere Lehrer‘ hilft mir inzwischen auch meine eigenen Schüler zu unterrichten. Ich versuche mit ihnen über meine Sinne und mein Bewusstsein in Resonanz zu kommen, um ihnen meine Spieltechniken zu vermitteln.“
Petr gibt Workshops für Einsteiger und für fortgeschrittene Maultrommelspieler. Er organisiert außerdem Treffen der von ihm 2012 ins Leben gerufenen tschechische Maultrommel-Community, die sich über Facebook und die Webseite brumle.cz austauscht. „Ich versuche die Maultrommel in Tschechien als altes, spirituelles Werkzeug wieder bekannt zu machen“, sagt Petr. „Ich bemühe mich darum, dass sich die Maultrommel in Tschechien, aber auch über die Landesgrenzen hinaus verbreitet.“ Die Szene in Tschechien wachse langsam, aber beständig. Inzwischen seien es ca. 20 aktive Maultrommelspielerinnen und Maultrommelspieler. Darüber hinaus gibt es noch ungefähr 200 Menschen, die weniger aktiv sind, sich aber für die brumle interessieren. Die Treffen, Konzerte und Workshops der Gruppe finden oft in Prag statt, denn es sei schwer die Städter zum Maultrommelspielen aufs Land zu locken.
Das tschechische Wort brumle oder brumla für Maultrommel wurde wahrscheinlich vom deutschen Wort Brummeisen abgeleitet. Brumlista ist derjenige, der die Maultrommel spielt. Brumlar ist das tschechische Wort für Maultrommelschmied. Über die Geschichte der Maultrommeln in Tschechien gibt es leider nicht viele Quellen. Petr sagt, man habe ein Instrument aus dem 14. Jahrhundert gefunden, die Rokstejnska brumle, aber viel mehr sei darüber nicht bekannt. „Es gibt sowas wie eine Tradition in der Region Moravia (Mähren). Dort gibt es auch ein paar Spieler und die Maultrommel wird in Volksliedern erwähnt.“ Regina Plate berichtet in ihrer Kulturgeschichte der Maultrommel (1992) über Maultrommelspieler aus Böhmen wie einem gewissen Kunert, der aus Kounice stammte und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Konzerte in deutschen und österreichischen Städten gegeben hat. Junge Maultrommelspieler wie Brumlista oder Ivo Charitonov wecken nun das Interesse für das Instrument in Tschechien und erreichen Folkmusikbegeisterte genauso wie Liebhaberinnen und Liebhaber von spirituellen Klängen. Petr spielt auch in der Fusion-Band „Nigunatica“ von Südosteuropa inspirierte Musik.
„Mit der Maultrommel stelle ich eine Verbindung zu meiner inneren Seele her“, beschreibt Petr das für ihn so Spezielle an der Maultrommel. „Man kann das Instrument relativ leicht lernen. Fast jeder kann es in kürzester Zeit spielen. Verglichen mit einer Violine ist es viel viel einfacher Maultrommel zu lernen. Außerdem geht es nicht nur um Musik. Die Maultrommel ist auch ein spirituelles Werkzeug. Musiktherapeuten benutzen die brumla, weil der Klang Menschen helfen kann, Blockaden zu lösen und gestaute Energie wieder frei zusetzen.“
In Tschechien werden inzwischen auch Maultrommeln geschmiedet. Petr spielt neben ungarischen Maultrommeln von Zoltan Szilágyi am liebsten Maultrommeln aus der Werkstatt des Tschechen Šešulka: „Es sind ganz besondere Instrumente. Sie sind der Bauart der österreichischen Jofen-Maultrommeln nachempfunden, die heute nicht mehr gebaut werden. Ich arbeite mit Šešulka zusammen, um die Instrumente weiterzuentwickeln und noch besser zu machen.“
Für Petr fiel die Bekanntschaft mit der Maultrommel mit einem Lebenswandel zusammen. Nachdem er viele Jahre im IT-Bereich gearbeitet hat, kündigte er und begann an einer Grundschule zu arbeiten. Inzwischen wünscht er sich professioneller Maultrommelspieler und -lehrer zu werden und in einiger Zeit vielleicht sogar davon leben zu können. Das wäre sein Traum. Dabei scheint er in den vergangenen Monaten seinem Traum ein ganzes Stück näher gekommen zu sein. Neben Auftritten bei Festivals und Konzerten, reiste er im November 2019 zum internationalen Khomus-Tag nach Jakutien und feierte mit den Maultrommelspieler*innen dort den Jahrestag der Maultrommel am 30. November. Rechtzeitig zu diesem Anlass erschienen ist ebenso im Jahr 2019 sein erstes Maultrommel-Album: Breath of Time