„A crazy voyage“ mit dem ungarischen Maultrommelvirtuosen Áron Szilágyi

DAN MOI Clemens Voigt & Sven Otto GbR
„A crazy voyage“ mit dem ungarischen Maultrommelvirtuosen Áron Szilágyi - Eine verrückte Reise mit dem ungarischen Maultrommelvirtuosen Áron Szilágyi.

Keine 100 Kilometer südlich von Budapest liegt die Stadt Kecskemét. Kecskemét kann sich mit seinem Musikpädadogischen Institut rühmen, das nach dem ungarischen Komponisten, Musikethnologen und Sohn der Stadt Zoltán Kodály benannt wurde. Kecskemét ist aber auch die ungarische Stadt der Musikinstrumente und im Speziellen ist sie die Stadt der Maultrommeln. Denn dort leben Áron Szilágyi und sein Vater Zoltán Szilágyi, zwei der wichtigsten Protagonisten in der europäischen Maultrommelszene. Helen Hahmann traf Áron Szilágyi im Sommer 2016 in Taucha bei Leipzig.

Mir ist es wirklich wichtig, bei den Menschen Interesse für die Maultrommel zu wecken“, erzählt Áron Szilágyi. Áron ist seit gut 20 Jahren als Musiker, Trainer und Initiator von Projekten rund um die Maultrommel weltweit unterwegs. Als Leiter des Leskowsky Musikinstrumentenmuseums in Kecskemét, dem einzigen Musikinstrumentenmuseum in Ungarn, öffnet er Menschen ganz niedrigschwellig den Zugang zu Musik und zur Maultrommel: „Meine Kollegen und ich gehen in die Schulen und geben Workshops. Das ist eine sehr große Mission für mich. Durch unsere Arbeit werden Kinder und Jugendliche von einem intuitiven Instrument wie der Maultrommel angesteckt und können lernen darauf zu spielen, ohne dafür in eine Musikschule zu gehen. Sie können es einfach ausprobieren und selbst erforschen.

Áron Szilágyi spielt jedes Jahre unzählige Konzerte. Solo, früher mit dem Trio „Airtists“ und heute mit „Zoord“. „Durch unsere Konzerte werden so viele Menschen auf die Maultrommel aufmerksam. Sie hören, was wir mit diesen kleinen Instrumenten machen und werden sofort neugierig. Manche wollen es danach selbst ausprobieren und beginnen zu spielen.“ Eine Gelegenheit die Maultrommel in die Öffentlichkeit zu führen, ist Árons ganz eigene „Global Vibes“-Maultrommel-Party, die immer zum Ende eines Jahres in Kecskemét stattfindet. „Da kommen eine Menge verrückter Leute zusammen, die das Jahresende, aber auch die Maultrommel feiern: Schamanen, Rockmusiker, Techno-DJs, Folktänzer. Es kommen um die 500 Leute und natürlich sind nicht alle an der Maultrommel interessiert, aber durch so ein Erlebnis nehmen sie dieses bemerkenswerte Instrument zur Kenntnis und wir stecken sie vielleicht mit unserer Begeisterung dafür an.

Áron spielt Maultrommel seit er drei Jahre alt ist. Er wuchs in einer Umgebung auf, in der er ständig von den Instrumenten umgeben war, denn sein Vater Zoltán Szilágyi ist einer der bekanntesten und besten Maultrommelschmiede, den es auf der Welt gibt. Er baut schon seit 40 Jahren Maultrommeln. Als Zoltan Szilágyi diesen speziellen Sound das erste Mal im Radio hörte, war er so sehr davon begeistert, dass er ein Instrument bauen wollte, das genauso klang. Eine Maultrommel hatte er bis dahin noch nie gesehen und auch die ersten Instrumente baute er ohne Vorlage. Er probierte sehr lange verschiedene Varianten aus und baute hunderte Instrumente, bevor er das erste Mal eine andere Maultrommel zu Gesicht bekam. Er habe damals alles stehen und liegen lassen und sich nur noch mit dem Bau von Maultrommeln beschäftigt, erzählt sein Sohn Áron. Der ungarische Begriff für die Instrumente ist Doromb.

Zoltán Szilágyi war auf der Suche nach dem perfekten Klang. Irgendwann kaufte jemand eine seiner Maultrommeln und er begann sie auch auf Märkten in ganz Ungarn anzubieten. Durch die Folklorebewegung sind damals viele Leute aus den Städten aufs Land gereist, um die traditionellen Tänze zu lernen und sie in der Stadt zu lehren. In diesem Zusammenhang entwickelte sich auch ein großes Interesse an der Maultrommel und Zoltán Szilágyi verkaufte viele seiner Instrumente. Sie unterschieden sich zu anderen Maultrommeln, weil sie handgemacht und von sehr hoher Qualität waren. Als dann die Mauer fiel, wurde seine Arbeit auch außerhalb Ungarns bekannt. Heute baut Zoltan über 80 verschiedene Maultrommeltypen, die alle einen anderen Klangcharakter haben. Zoltáns Instrumente begründen sich nicht auf einer Tradition des Maultrommelschmiedens in Ungarn. Vielmehr folgt sein Ansatz dem Anspruch, einen künstlerischen Umgang mit dem Instrument zu ermöglichen und jede erdenkliche Klangfarbe auszureizen.

Zoltáns Sohn Áron kennt jeden Handgriff beim Maultrommelschmieden, überlässt das Handwerk aber seinem Vater. Er selbst fertigt Maultrommelkästchen und -schatullen aus Holz an. Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Musik. Es sei allerdings keineswegs selbstverständlich gewesen, dass Áron sein Leben wie sein Vater der Maultrommel widmen würde. „Als ich 16 war, suchte ich wie alle Teenager nach etwas, mit dem ich mich ausdrücken konnte. Ich sah, wie Leute aus der ganzen Welt zu uns nach Hause kamen, um meinen Vater zu besuchen. Ich betrachtete unsere Gäste und dachte, sie sind frei, müssen nicht arbeiten, sie reisen durch die ganze Welt und sie sind echt cool – und sie haben etwas gemeinsam: die Maultrommel. Das gefiel mir, also überlegte ich, Maultrommelprofi zu werden. Dafür musste ich mich nicht mal von zu Hause wegbewegen, ich musst nur ins Wohnzimmer gehen, denn die Maultrommelspieler, die uns besuchten waren die besten in der Welt und von ihnen konnte ich lernen, u.a. von Spiridon Shishigin, Anton Bruhin oder Frederik Crane, all die legendären Spieler aus der ganzen Welt. Mit etwa 18 begann ich immer mehr zu spielen und mit Anfang 20 hatte ich meine eigenen Bands, begann zu touren, spielte Konzerte und gab Workshops. Und so lebe ich bis heute.

Die Begegnungen mit Maultrommelspielern im heimischen Wohnzimmer waren es auch, die Áron zum Vorbild wurden und seinen Stil mitprägten. Er sagt, auch die Instrumente selbst haben einen großen Einfluss auf seine Spielweise gehabt, schließlich hatte er sein Leben lang das Glück ausschließlich auf exzellenten Instrumenten spielen zu können. Dennoch, „den einen, für mich speziellen Stil Maultrommel zu spielen, will ich eigentlich gar nicht definieren, denn ich mache sehr verschiedene Sachen auf den Instrumenten. Angezogen fühle ich mich von einer instinktiven, obertonreichen, rhythmischen Spielweise. Ich habe viele Anschlags- und Atemtechniken gelernt und wende sie beim Spielen auch an. Die Leute sagen mir, dass mein Stil auf sie besonders kraftvoll, stark und dynamisch wirkt, das mag u.a. daran liegen, dass ich wirklich sehr laut spielen kann.

Áron Szilágyi spielt auf den Maultrommeln seines Vaters. Nicht etwa aus Loyalität, wie er anmerkt, sondern weil er mit genau diesen Instrumenten am besten zurecht komme: „Am liebsten spiele ich die Blackfire-Maultrommeln, weil sie für alle möglichen Spieltechniken gut funktionieren. Sie liegen mir gut in der Hand, ich kenne sie in- und auswendig. Sie sind einfach perfekt für mich.

Wie Áron auf der Maultrommel klingt, hört man am besten auf einer Aufnahme mit seiner Gruppe Zoord, die 2016 eine CD veröffentlicht haben, auf der sie traditionelle Melodien der Tschangos aus Siebenbürgen neu interpretiert werden. Von den Liedern soll es in Kürze auch ein Remix-Album geben, auf dem World Music-Produzenten und -DJs ihre Songs remixen. Auch ein Soloalbum von Áron ist in Arbeit, von dem er verspricht: es ist ziemlich experimentell, „a crazy voyage“.


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